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17.04.2009 - "Die 68er in Kiel"
Ausstellung und "Sir Henry & The Dukes"
im Kieler Schloß

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Ich wußte schon, weshalb ich Gabriele Schreib gebeten habe,
einen kleinen Beitrag über den Eröffnungsabend der 68er-Jahre-Austellung im
Kieler Schloß zu schreiben. So gut hätte ich es nie hinbekommen.
Gabi, ich danke Dir ganz herzlich dafür, daß Du so spontan und denn noch
mitten in der Nacht darangegangen bist, meine Bitte zu erfüllen.

Da sieht man mal, was es für ein Unterschied ist, wenn man den Bericht
einer studierten Redakteurin und den eines Laien liest.
Aber natürlich habe auch ich die 68er voll mitbekommen.
Immerhin habe ich mich 1968 mit Kalli verlobt....

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Die 68er in Kiel – Sozialprotest und kultureller Aufbruch
(eine Ausstellung im Kieler Schloß bis 07.06.09)

„Hallo!“ sage ich zu einem älteren Herren mit Rauschebart. „Dich kenne ich doch aus der Soziologie!“ „Naja“, antwortet der, „eigentlich bin ich Historiker. Aber bei den Soziologen war ich damals ja oft“. Siehste, die Gesichter kennt man eben doch noch auch nach 35 Jahren. Sowieso war es schon am Eingang zum Schloß deutlich: der Ansturm wurde gewaltig, es kamen viel mehr Kieler, als es alle erwartet hatten. Und es war ein bißchen so wie Klassentreffen, man traf Philosophen, Politologen, Soziologen, Politiker, Historiker – und alle waren durchweht vom Geist von 1968.

Selbst Cathy Kietzer erzählte in ihrer Eröffnungsrede von den Zeiten, als sie mit ihrem Mann im besetzten juristischen Seminar der Kieler Uni saß oder später im alten Sophienhof wohnte, bis die Besetzerszene zu massiv und zu laut wurde. Alle, die älter als 50 waren, gingen an diesem Abend als Zeitzeugen durch und es gab viel zu erzählen an Hand des umfangreichen und von den jungen Studenten sorgfältig zusammengestellten Materials. Soviel gab es zu erzählen, dass die Redner vorne „ungehörig“ murmelten und bemerkten, das hinten laut geschwatzt wurde. Ganz normal also, wie immer im Geschichtsunterricht.

Nicht normal war die hohe Anzahl junger Menschen, die sich mit Engagement, Wissen und Ausdauer dem Thema gewidmet hatten. Für die, das wurde mir schnell bewußt, war es zunächst einmal egal, ob sie im historischen Seminar über 1968, 1933 oder 1789 arbeiteten, in jedem Fall war das alles für sie Geschichte. Für mich, die ich zur Zeitzeugin für 1968 mutierte, ein Erlebnis: war das Jahr 1968 nicht erst vorgestern? Und nun gab es schon bei den Historikern junge Leute, die den Geist dieser Zeit wieder spüren wollten? Junge Leute, die mit Kamera und Fragenkatalog anrückten und versuchten zu verstehen, was sicher auch ihre Eltern seinerzeit bewegt hatte.

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Ein großes Lob also an die Stadt und an die Veranstalter, zeigt sich doch daran, dass der Marsch der 68er durch die Institutionen geglückt ist: heute sitzen sie an den Schalthebeln der Macht und sie haben eine wunderbare Ausstellung möglich gemacht, die hohe Qualität hat und die Gefühle dieser wilden und spontanen Zeit wieder aufleben lässt. Und vor allem: es ist eine Ausstellung, die den Stellenwert dieser Zeit mit Respekt und Anerkennung deutlich macht. Vor allem auch ihre wichtige Bedeutung für unsere heutige Zeit. Wir haben heute einen schwulen Bürgermeister bei der SPD in Berlin und einen schwulen Bürgermeister bei der CDU in Hamburg. Wir haben einen farbigen Präsidenten der USA. Das alles hätte es ohne 1968 nicht geben können. Das sollten inzwischen auch konservative Bürger anerkennen.

Ein wunderbarer Gedanke war es, nach den Reden der Organisatoren die Musik dieser Jahre einzuladen: es kamen „Sir Henry and the Dukes“, die wir von vielen Revival-Verantaltungen der Kieler „Starpalast-Szene“ kennen und lieben. Der Rock’n‘ roll hatte uns seit Mitte der 50er Jahre begleitet und zu rebellischen Bürgern erzogen, die immer häufiger nicht mehr alles hinnehmen wollten. Die gegen die ganzen selbsternannten Autoritäten angingen. Ohne dieses musikalische Aufbegehren, ohne diese Musik, das ist meine feste Überzeugung, hätte es noch lange gedauert, bis man die alten Strukturen in Frage gestellt hätte.

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So aber ging es weltweit viel schneller, denn die wilden Rhythmen machten etwas mit den jungen Menschen dieser Zeit. Ohne Handy und Internet wußte die Jugend in allen Teilen der Welt fast zeitgleich, dass sie aufbrechen musste, dass sie nur alle gemeinsam etwas verändern konnten. So kann politscher und kultureller Aufbruch dieser Zeit nur im Zusammenhang gesehen werden mit dieser Musik, die uns bis heute in Schwung hält.

Und natürlich traf ich Ute Davidsen und ihren Mann Kalli, die mit der Gruppe „The Paddocks“ genau diese Musikrichtung immer wieder aufleben lassen und mit ihr eine unvergessliche Zeit: die Sechziger. Klaus Bunsen war natürlich auch da und der wartet schon im November wieder in der Halle 400 auf die alten Rocker: diesmal kommen The Troggs“. Ich sage da nur: „Wild thing..you make my heart sing…“

Und wer noch ein bißchen schwelgen will: im Buchhandel gibt es „Milchsuppe mit Schwarzbrot“, ein Buch von mir, das genau diese Zeit und diesen Aufbruch beschreibt. Die Fünfziger und die Sechziger. Aus Kieler Sicht.
Erschienen bei BoD, ISBN 978-3-8370-1702-1, Preis 9,80€.

Gabriele Schreib M.A. (Politologin, Redakteurin und freie Autorin)
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Und hier noch ein paar weitere Fotos von diesem tollen Abend:

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Ausschnitt aus den "Kieler Nachrichten" vom 20.04.2009:

...Nicht aller Protest war politisch motiviert. Viele Jugendliche wollten einfach mehr Freiheit, ein anderes Betriebsklima. Sie trafen sich im Gaardener „Starpalast“. Dort spielten damals die angesagten Bands. Eine von ihnen waren die „Dukes“, die sich später nach ihrem Bassisten Henrik Maaß „Sir Henry and the Dukes“ nannten. Echt Gaardener und Ellerbeker Eigengewächse. „Wir waren 'ne reine Ostuferband“, sagt einer der Dukes stolz. Und die heizen jetzt in der Landeshalle noch einmal wie damals mit Songs von den Beatles und den Kinks ein. Als sie „Death of a Clown“ anstimmen, singen viele begeistert mit, einige fangen an zu tanzen, und plötzlich ist es wie damals. Von Aufruhr und Revolution keine Spur, Erinnerung und Rührung sind Thema der Stunde.

 

 

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